
Ägyptens Migrationskrise: Wenn das Tor nach Europa selbst zum Pulverfass wird
Die Bilder gleichen sich wie ein düsteres Déjà-vu: Wieder einmal kentert ein überladenes Boot vor der libyschen Küste, wieder einmal bergen Rettungskräfte Leichen aus dem Mittelmeer. Doch diesmal sind es keine Subsahara-Afrikaner, die ihr Leben auf der gefährlichen Überfahrt verloren haben. Es sind Ägypter – ausgerechnet aus jenem Land, das selbst unter einer beispiellosen Migrationswelle ächzt und nun droht, zum neuen Sprungbrett nach Europa zu werden.
Wenn der Retter selbst zur Rettung schreit
Neun Millionen Flüchtlinge beherberge Ägypten derzeit, verkündet die Regierung in Kairo mit einer Mischung aus Stolz und Verzweiflung. Vier Millionen Sudanesen, anderthalb Millionen Syrer, je eine Million Jemeniten und Libyer – das Land am Nil platzt aus allen Nähten. Bei einer Bevölkerung von rund 100 Millionen bedeutet dies, dass fast jeder zehnte Mensch in Ägypten ein Flüchtling ist. Eine Belastung, die selbst für ein Land mit der historischen Gastfreundschaft Ägyptens zu viel wird.
Die Stimmung in der Bevölkerung kippt zusehends. Hashtags wie "Geh zurück in deinen Sudan" und "Die Abschiebung syrischer Flüchtlinge ist eine nationale Pflicht" machen in den sozialen Medien die Runde. Eine Umfrage der Entwicklungshilfeorganisation "Ark" zeigt, dass die Sicherheitsbedenken der Ägypter bezüglich illegaler Einwanderung binnen eines Jahres von 17 auf 24 Prozent gestiegen sind. Die Angst vor Drogenschmuggel und steigender Kriminalität wächst – ein Phänomen, das uns in Deutschland nur allzu bekannt vorkommt.
As-Sisis Warnung an Europa
Präsident Abd al-Fattah as-Sisi schlug kürzlich Alarm. Bei einer Videokonferenz warnte er eindringlich vor "beispiellosen Wellen von Massenvertreibungen und illegaler Migration nach Europa". Seine Botschaft richtete sich direkt an Emmanuel Macron und Keir Starmer – und sollte auch in Berlin aufhorchen lassen. Denn was as-Sisi hier ankündigt, ist nichts weniger als die nächste Migrationskrise, die auf Europa zurollt.
Die ägyptische Regierung hat bereits reagiert: Im Dezember 2024 verabschiedete das Parlament das erste Asylgesetz in der Geschichte des Landes. Ein Gesetz, das es in sich hat: Asylbewerber dürfen sich nicht nur nicht politisch betätigen, ihr Status kann auch bei allgemeinen Straftaten oder "moralischen Verstößen gegen die gesellschaftlichen Werte und Traditionen" aberkannt werden. Seit Jahresbeginn wurden bereits 190.000 Sudanesen repatriiert – ein Begriff, der eleganter klingt als "Remigration", aber dasselbe meint.
Die neue Route des Elends
Doch die Abschiebungen aus Ägypten lösen das Problem nicht – sie verlagern es nur. Für gerade einmal 18 Euro bringt ein Kleinbus Auswanderungswillige von Kairo nach Tobruk in Libyen. Von dort kostet die Überfahrt nach Europa weitere 2.500 Euro. Preise, die zeigen: Hier geht es nicht um die Ärmsten der Armen, sondern um eine neue Mittelschicht, die sich von den Versprechungen der Schleuser blenden lässt.
Eine Studie der Internationalen Organisation für Migration (IOM) zeichnet ein ernüchterndes Bild: 75 Prozent der Migranten in Libyen sind Männer zwischen 19 und 35 Jahren. Über 21 Prozent haben nie eine Schule besucht, weitere 43 Prozent nur eine Grundschule – und davon schloss nur die Hälfte diese ab. Politische Gründe für die Auswanderung geben lediglich 18 Prozent an. Der Rest? Wirtschaftsmigranten, angelockt von den Pull-Faktoren Europas.
Europas fatale Fehlkalkulation
Die EU versucht, das Problem mit Geld zu lösen – wie immer. 7,4 Milliarden Euro fließen seit März 2024 nach Ägypten, darunter 200 Millionen zur "Bekämpfung illegaler Migration". Doch was nützen all diese Milliarden, wenn die Grundprobleme nicht angegangen werden? Solange Europa seine Grenzen nicht konsequent schützt und weiterhin falsche Anreize setzt, wird der Migrationsdruck nur zunehmen.
Die neue Bundesregierung unter Friedrich Merz hatte versprochen, in der Migrationspolitik umzusteuern. Doch was hören wir? Deutschland sei ein Einwanderungsland und solle es bleiben. Während Ägypten unter der Last von neun Millionen Flüchtlingen ächzt und selbst zur Abschiebung greift, diskutiert man in Berlin immer noch über "Willkommenskultur" und "Integration".
Es ist höchste Zeit für einen Realitätscheck: Wenn selbst traditionelle Aufnahmeländer wie Ägypten die Reißleine ziehen, sollte das ein Weckruf für Europa sein. Die Alternative ist klar: Entweder wir machen unsere Grenzen dicht – ja, "abschotten" ist hier das richtige Wort – oder wir werden von der nächsten Migrationswelle überrollt. Es geht nicht mehr um Humanität oder Weltoffenheit. Es geht ums nackte Überleben unserer Gesellschaften, unserer Kulturen, unserer Werte.
Die Warnungen aus Kairo sollten wir ernst nehmen. Denn wenn Ägypten zum Tor nach Europa wird, dann steht dieses Tor sperrangelweit offen – und dahinter warten Millionen.
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