
Iranische Schläferzellen in den USA: Reale Bedrohung oder politisches Schreckgespenst?
Die jüngste Eskalation zwischen den USA und dem Iran wirft erneut die Frage nach der Sicherheit auf amerikanischem Boden auf. Während B-2-Bomber iranische Nuklearanlagen ins Visier nahmen und Teheran mit Raketenangriffen auf US-Basen in der Region antwortete, warnen amerikanische Sicherheitsbehörden vor sogenannten "Schläferzellen" der Islamischen Revolutionsgarden (IRGC), die angeblich auf US-Territorium aktiv seien.
Warnungen ohne konkrete Bedrohung?
Das Department of Homeland Security erhöhte die Bedrohungsstufe, und auch das FBI schloss sich mit eigenen Warnungen an. Doch trotz der martialischen Rhetorik blieben die befürchteten Vergeltungsschläge auf amerikanischem Boden aus. Ein Umstand, der Fragen aufwirft: Wie real ist die Gefahr tatsächlich, oder handelt es sich hier um politisch motivierte Panikmache?
Tom Homan, der neue "Grenz-Zar" der Trump-Administration, nutzt die vermeintliche iranische Bedrohung geschickt für seine Agenda. In einem Interview mit Fox News behauptete er, die offene Grenze stelle die größte nationale Sicherheitslücke dar, die das Land je gesehen habe. Iranische Agenten hätten diese Schwäche längst ausgenutzt, so seine Warnung.
Experten mahnen zur Differenzierung
Broderick McDonald vom King's College London bestätigt zwar, dass der Iran "mit ziemlicher Sicherheit kleine klandestine Zellen in den USA und anderen Ländern unterhält". Diese würden seit Jahrzehnten für Attentate, die Verfolgung von Dissidenten und die Zusammenarbeit mit kriminellen Netzwerken genutzt. Gleichzeitig warnt er jedoch vor Übertreibungen.
"Während oft in sensationeller Sprache diskutiert, sind diese sogenannten Schläferzellen ein wertvolles Gut für jedes Land, um Überwachung zu sammeln, gezielte Attentate durchzuführen und strategische Angriffe auf militärische Infrastruktur während einer Krise auszuführen."
Die Realität sei komplexer als die Darstellung mancher Politiker vermuten lasse. Ein Angriff auf US-Boden würde für den Iran einen Moment "wahrer existenzieller Verzweiflung" erfordern - eine Situation, in der sich Teheran derzeit nicht befinde.
Die neue Ära der Sabotage
Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine warnen Geopolitik-Experten vor einer neuen Ära verdeckter Operationen zwischen Nationalstaaten. Der Iran, bereits erfahren in solchen klandestinen Aktivitäten und bereit, die russische Mafia für seine Zwecke einzuspannen, könnte seine Auslandsoperationen intensivieren.
Besonders besorgniserregend sei die Möglichkeit von Angriffen mit Selbstmord-Drohnen, wie sie im Ukraine-Krieg populär geworden seien. Colin Clarke vom Soufan Center zeigt sich überrascht, dass solche Angriffe noch nicht stattgefunden hätten: "Das ist sicherlich eine starke Möglichkeit."
Schwäche als Schutzschild
Paradoxerweise könnte gerade die aktuelle Schwäche des Iran das Land davon abhalten, die USA direkt herauszufordern. Nach den jüngsten israelisch-amerikanischen Angriffen auf iranische Ziele sei Teheran kaum in der Position, den Zorn der Trump-Administration auf sich zu ziehen.
Die Geschichte zeige zwar, dass der Iran durchaus bereit sei, asymmetrische Mittel einzusetzen - von Anschlägen in Argentinien über Bulgarien bis Saudi-Arabien. Auch die Unterstützung der Aufständischen im Irak, einschließlich der Herstellung von Straßenbomben gegen US-Soldaten, belege diese Bereitschaft. Doch ein direkter Angriff auf amerikanischem Boden würde eine rote Linie überschreiten, die Teheran derzeit nicht zu überqueren wage.
Innenpolitische Instrumentalisierung
Die Warnungen vor iranischen Schläferzellen fügen sich nahtlos in die Rhetorik der Trump-Administration ein. Für Politiker wie Homan und Vizepräsident J.D. Vance seien die Iraner zu nützlichen Schreckgespenstern geworden - ein Hebel, um härtere Grenzkontrollen und innenpolitische Maßnahmen zu rechtfertigen.
Diese Instrumentalisierung erinnere fatal an die Zeit nach der Irak-Invasion, als Präsident George W. Bush immer wieder "Schläferzellen" und Terrorismus-Sponsoring als Rechtfertigung für seine Politik anführte. Die Parallelen seien unübersehbar: Damals wie heute würden diffuse Ängste geschürt, um konkrete politische Ziele durchzusetzen.
Die wahre Gefahr liege möglicherweise weniger in iranischen Agenten als in der zunehmenden Polarisierung und dem Extremismus innerhalb der westlichen Gesellschaften selbst. Seit dem 7. Oktober und dem andauernden Gaza-Krieg hätten westliche Länder einen Anstieg sowohl antisemitischer als auch islamophober Angriffe erlebt. Diese hausgemachten Probleme könnten sich als weitaus gefährlicher erweisen als die vermeintliche Bedrohung durch ausländische Schläferzellen.
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