
Malaysias Johor: Vom Industriegebiet zum KI-Rechenzentrum der Zukunft
Während Europa noch über Digitalisierung debattiert und Deutschland seine Infrastruktur vernachlässigt, vollzieht sich im Süden Malaysias eine bemerkenswerte Transformation. Der Bundesstaat Johor hat sich in atemberaubender Geschwindigkeit zu einem der weltweit bedeutendsten Standorte für Rechenzentren entwickelt – angetrieben von geopolitischen Spannungen und dem unstillbaren Hunger nach Rechenkapazität für künstliche Intelligenz.
Singapurs Platznot wird Johors Goldgrube
Was Johor besonders attraktiv macht, ist seine strategische Lage direkt an der Grenze zu Singapur. Der Stadtstaat gilt zwar weiterhin als Knotenpunkt für digitale Konnektivität, doch Land und Energie werden dort zunehmend knapp. Die Lösung? Neue Rechenzentren entstehen jenseits der Grenze, bleiben aber terrestrisch mit Singapur verbunden. Eine grenzüberschreitende Bahnlinie, die Ende nächsten Jahres den Betrieb aufnehmen soll, sowie die im Januar eingerichtete Sonderwirtschaftszone zwischen Johor und Singapur sollen die Zusammenarbeit weiter erleichtern.
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Johor erreichte in nur drei Jahren eine Rechenzentrumskapazität von über 900 Megawatt – ein Wachstum, für das Singapur mehr als ein Jahrzehnt benötigte. Ehemalige Industriegebiete wie der Sedenak Tech Park wurden in gigantische KI-Rechenzentren umgewandelt, ausgestattet mit Hochspannungsinfrastruktur und Wasseraufbereitungsanlagen.
Milliarden fließen nach Südostasien
Malaysia insgesamt hat sich zu einem der größten Magneten für digitale Investitionen in Südostasien entwickelt. Allein in den Jahren 2023 und 2024 flossen laut Regierungsangaben mindestens 210,4 Milliarden Ringgit ins Land. Johor sicherte sich den Löwenanteil dieser Zuflüsse, während Kuala Lumpur und Cyberjaya als sekundäre Standorte aufholen.
Die Ansiedlung großer Rechencluster stärkt die strategische Relevanz des Landes und zieht weitere Infrastruktur wie Unterseekabel an, was die regionale Konnektivität insgesamt verbessert.
Große amerikanische und chinesische Technologiekonzerne, Cloud-Anbieter und Serverhersteller haben sich bereits niedergelassen und bilden das Fundament eines wachsenden regionalen Ökosystems. Ein Paradebeispiel dafür, wie schnell sich wirtschaftliche Schwerpunkte verschieben können – während der Westen mit Bürokratie kämpft.
Gut bezahlte Jobs, aber auch wachsende Probleme
Der Boom verändert auch die lokalen Arbeitsmärkte grundlegend. Zwar schaffen Rechenzentren weniger Arbeitsplätze als klassische Fertigungsbetriebe, doch die entstehenden Positionen – von Elektrotechnik über Telekommunikation bis hin zu Netzwerk- und Cloud-Architektur – werden deutlich über dem nationalen Durchschnitt vergütet. Selbst Einstiegspositionen liegen über dem malaysischen Medianeinkommen.
Doch die Schattenseiten werden zunehmend sichtbar. Strom und Wasser entwickeln sich zu kritischen Engpässen, insbesondere für KI-Anlagen, die auf Flüssigkeitskühlung angewiesen sind. Johor hat bereits begonnen, neue Projekte abzulehnen, die wasserintensive Kühlsysteme benötigen. Der Aufbau zusätzlicher Versorgungsinfrastruktur wird nach Angaben von Behördenvertretern mehrere Jahre dauern.
Geopolitische Risiken und Überkapazitäten
Analysten verweisen zudem auf geopolitische Risiken, insbesondere die Unsicherheit beim Zugang zu fortschrittlichen KI-Chips angesichts verschärfter Exportkontrollen. Auch Fragen nach möglichen Überkapazitäten werden laut. Anders als Hyperscaler, die Rechenzentren für ihre eigenen Plattformen errichten, setzen viele neutrale Betreiber auf künftige Mieternachfrage. Einige Projekte wurden bereits auf Eis gelegt.
Ob Johor seinen rasanten Aufstieg als KI-Rechenzentrum-Hub aufrechterhalten kann, wird davon abhängen, wie effektiv der Bundesstaat Infrastruktur, Regulierung, Geopolitik und langfristige Marktnachfrage in Einklang bringt. Für Investoren bleibt die Region jedenfalls ein spannendes Beobachtungsfeld – und ein mahnendes Beispiel dafür, wie schnell sich wirtschaftliche Machtverhältnisse verschieben können, wenn andere Länder zu lange zögern.

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