
Flaggenstreit in Großbritannien: Wenn Patriotismus zur Provokation wird
Was als vermeintlich harmlose Internetaktion begann, entwickelt sich in Großbritannien zu einem handfesten Kulturkampf. Die mysteriöse "Operation Raise the Colours" ruft Briten dazu auf, massenhaft Nationalflaggen im öffentlichen Raum zu hissen – und entfacht damit eine Debatte, die tief in die Seele des gespaltenen Königreichs blicken lässt.
Nächtliche Guerilla-Aktionen mit Union Jack
In Birmingham, Bradford, Newcastle und dutzenden weiteren Städten flattern plötzlich britische und englische Nationalflaggen an Laternenpfählen, in Vorgärten und an Hausfassaden. Die Aktivisten gehen dabei durchaus professionell vor: In Birmingham charterte eine besonders eifrige Gruppe sogar einen Lastwagen mit Arbeitsbühne, um ihre Fahnen möglichst hoch anzubringen. Andere begnügen sich nicht mit dem Hissen von Flaggen – sie malen die Nationalfarben kurzerhand auf Straßen, Zebrastreifen und Verkehrsinseln.
Die anonymen Organisatoren koordinieren ihre Aktionen über soziale Medien. Ein Administrator der Facebook-Gruppe prahlte kürzlich mit einem Foto von 60 frisch gelieferten England-Flaggen: "Wird ein langer Tag heute." Die Bewegung sucht aktiv nach Unterstützern, die Leitern und andere Hilfsmittel zur Verfügung stellen.
Behörden greifen durch – aber nicht überall
Die Reaktionen der Kommunalverwaltungen könnten unterschiedlicher kaum sein. In Tower Hamlets, einem Londoner Stadtteil mit hohem Migrantenanteil, rissen städtische Mitarbeiter die Flaggen umgehend wieder ab. Der Stadtrat rechtfertigte sich mit "Sicherheitsgründen" und der Verantwortung für die kommunale Infrastruktur. Videos von wütenden Auseinandersetzungen zwischen Flaggen-Aktivisten und Gemeindeangestellten machten in den sozialen Medien die Runde.
"Wir erkennen an, dass Menschen ihre Meinung äußern möchten. Gleichzeitig tragen wir aber die Verantwortung dafür, die Infrastruktur des Stadtrats zu überwachen", erklärte der Stadtrat von Tower Hamlets in einem Statement, das mehr nach bürokratischer Ausrede als nach überzeugender Begründung klingt.
Auch Birmingham griff hart durch. Der Labour-Bürgermeister kündigte an, Hunderte von Flaggen entfernen zu lassen – ebenfalls aus "Sicherheitsgründen". Diese Begründung wirkt besonders scheinheilig, wenn man bedenkt, dass in denselben Stadtteilen monatelang palästinensische Flaggen unbehelligt wehen durften. Ein Schelm, wer dabei an zweierlei Maß denkt.
Die wahren Motive bleiben im Dunkeln
Wer genau hinter der "Operation Raise the Colours" steckt, bleibt vorerst unklar. Die Initiatoren agieren anonym, was Spekulationen Tür und Tor öffnet. Auffällig ist jedoch, dass die Aktion besonders in Kreisen um den verurteilten Aktivisten Tommy Robinson und der Reform-Partei von Nigel Farage Anklang findet. In Kommunen mit Reform-Vertretern bleiben die Flaggen bezeichnenderweise hängen.
Anti-Rassismus-Aktivisten wittern bereits Gefahr. Lewis Nielsen von "Stand Up to Racism" warnte, die Diskussion um Flaggen und Patriotismus könne dem Rassismus Vorschub leisten. Eine bemerkenswerte Einschätzung, die offenbart, wie sehr das Zeigen nationaler Symbole in bestimmten Kreisen bereits unter Generalverdacht steht.
Die Aktivisten selbst wehren sich gegen solche Unterstellungen. Auf einer Spendenseite der "Wythall Flaggers" heißt es unmissverständlich: "Dies ist NICHT rassistisch und wird es auch nie sein." Man wolle lediglich patriotisch und stolz auf die Heimat sein – eigentlich eine Selbstverständlichkeit, die in anderen Ländern keiner Rechtfertigung bedürfte.
Starmers vorsichtiger Eiertanz
Premierminister Keir Starmer wagte sich nur zaghaft an das heiße Eisen. Auf die Frage nach seiner Haltung zum Flaggenhissen ließ er über seinen Sprecher ausrichten, er unterstütze dies "absolut" und sei selbst "stolz, ein Brite und ein Patriot zu sein". Konkret zu den Vorfällen in Birmingham oder Tower Hamlets äußerte er sich jedoch nicht – ein typisches Beispiel für die politische Feigheit, die das Land in diese Identitätskrise geführt hat.
Der Verweis auf die Flaggen bei Fußballspielen wirkt dabei wie ein schwacher Versuch, das Thema zu entschärfen. Als ob Patriotismus nur bei sportlichen Großereignissen erlaubt wäre, während er im Alltag suspekt erscheint.
Ein gespaltenes Land
Die Flaggen-Kontroverse offenbart die tiefe Zerrissenheit Großbritanniens. Während die einen das Zeigen nationaler Symbole als legitimen Ausdruck von Heimatverbundenheit sehen, wittern andere dahinter sofort rechtsextreme Umtriebe. Diese Polarisierung ist das Ergebnis jahrelanger Vernachlässigung berechtigter Sorgen der einheimischen Bevölkerung.
Wenn das Hissen der eigenen Nationalflagge zum Politikum wird, wenn Bürger nachts heimlich ihre Fahnen aufhängen müssen und Behörden diese wieder entfernen, dann stimmt etwas Grundlegendes nicht mehr. Ein Land, das sich seiner eigenen Identität schämt, hat ein ernsthaftes Problem – und die "Operation Raise the Colours" ist nur ein Symptom dieser tiefer liegenden Krise.
Die Bewegung mag mit knapp 1.400 Facebook-Mitgliedern noch klein sein, doch sie trifft einen Nerv. In einem Land, in dem traditionelle Werte zunehmend unter Beschuss geraten und jeder Ausdruck von Nationalstolz argwöhnisch beäugt wird, suchen sich solche Gefühle eben andere Ventile. Die Politik täte gut daran, diese Signale ernst zu nehmen, statt sie reflexhaft in die rechte Ecke zu schieben.
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