
Wikipedia-Manipulation im Verfassungsgerichts-Streit: Wie ein katholischer Rechtsprofessor die Debatte anheizte
Was für ein Timing! Nur fünf Tage bevor die umstrittene Nominierung von Frauke Brosius-Gersdorf für das Bundesverfassungsgericht öffentlich wurde, griff ausgerechnet ein renommierter Heidelberger Rechtsprofessor zur digitalen Feder. Ekkehart Reimer, seines Zeichens Vorsitzender des katholischen Begabtenförderungswerks Cusanuswerk, fühlte sich bemüßigt, den Wikipedia-Eintrag der Juristin um brisante Details zu ihrer Position zum Schwangerschaftsabbruch zu "ergänzen". Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Der Professor und seine drei Wikipedia-Edits in 13 Jahren
Besonders pikant: In fast 13 Jahren hatte Reimer sein Wikipedia-Konto sage und schreibe dreimal benutzt. Doch ausgerechnet am 25. Juni 2025, als in Insiderkreisen längst über Brosius-Gersdorfs Nominierung getuschelt wurde, überkam ihn plötzlich der Drang zur enzyklopädischen Mitarbeit. Seine Begründung? Die Position der Juristin zum Schwangerschaftsabbruch sei "unterbelichtet" gewesen. Dass er dabei Formulierungen wie "betont" in "setzte sich ein" verschärfte, war sicher reiner Zufall.
Die von Reimer eingefügte Passage las sich wie eine Anklage: Brosius-Gersdorf wolle dem Gesetzgeber das Recht einräumen, Abtreibungen in den ersten zwölf Wochen zu erlauben - entgegen der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Für einen konservativen Katholiken wie Reimer offenbar ein rotes Tuch.
Die unheilige Allianz aus Wissenschaft und Politik
Kaum war die Nominierung durch die FAZ publik gemacht worden, griffen rechte Blogs wie "Apollo News" und "Nius" die von Reimer gesetzten Stichworte dankbar auf. Die Kampagne nahm Fahrt auf, und plötzlich galt die angesehene Juristin als "Aktivistin", die ein deutsches "Roe v. Wade" anstrebe - so jedenfalls formulierte es Reimer später auf der Plattform Bluesky.
"Ich nehme sie als Aktivistin wahr, die über eine Neuinterpretation des Grundgesetzes ein deutsches 'Roe v. Wade' erreichen will."
Dass Reimer ausgerechnet mit Verfassungsgerichtspräsident Stephan Harbarth an derselben Universität lehrt und diesem 2018 zu einer umstrittenen Honorarprofessur verhalf, macht die Sache nicht weniger brisant. Beide studierten in den 90er Jahren gemeinsam in Heidelberg - alte Seilschaften, die sich gegenseitig die Bälle zuspielen?
Der orchestrierte Sturm gegen eine unbequeme Kandidatin
Die Chronologie spricht Bände: Erst die gezielte Wikipedia-Bearbeitung, dann die mediale Kampagne rechter Blogs, schließlich der Aufstand in der Unionsfraktion. Brosius-Gersdorf wurde zur Zielscheibe einer konzertierten Aktion, bei der wissenschaftliche Neutralität und politische Agenda Hand in Hand gingen.
In der ZDF-Talkshow "Markus Lanz" wehrte sich die Juristin verzweifelt gegen die Vorwürfe. Sie habe Embryos niemals das Lebensrecht abgesprochen und sei keineswegs für Abtreibungen bis zur Geburt. Ihre differenzierte Position - Rechtmäßigkeit von Schwangerschaftsabbrüchen in der Frühphase bei gleichzeitiger Stärkung embryonaler Rechte im späteren Verlauf - ging im Getöse der Empörung unter.
Die neue Bundesregierung und ihre konservativen Reflexe
Dass ausgerechnet unter der neuen Großen Koalition von Friedrich Merz eine solche Schlammschlacht um eine Verfassungsrichterin entbrennt, überrascht kaum. Die CDU/CSU zeigt ihre konservativen Reflexe, wenn es um Themen wie Schwangerschaftsabbruch geht. Dabei wäre gerade jetzt, nach dem Chaos der Ampel-Jahre, eine sachliche Debatte über Verfassungsfragen nötig.
Stattdessen erleben wir, wie ein katholischer Rechtsprofessor zum Wikipedia-Guerillero wird und damit eine Lawine lostritt. Die Methode erinnert fatal an die Kampagnen der vergangenen Jahre, bei denen missliebige Personen durch gezielte Informationspolitik aus dem Amt gedrängt wurden.
Ein Lehrstück über Macht und Manipulation
Der Fall Brosius-Gersdorf zeigt exemplarisch, wie im digitalen Zeitalter Meinungsbildung funktioniert. Ein paar gezielte Edits auf Wikipedia, die richtigen Stichworte für empörungsbereite Blogs, und schon ist eine renommierte Juristin zur persona non grata geworden. Dass dahinter ausgerechnet ein Wissenschaftler steht, der eigentlich zur Objektivität verpflichtet wäre, macht die Sache besonders bitter.
Die Drohungen gegen Brosius-Gersdorf, von denen sie bei Lanz berichtete, sind die logische Konsequenz dieser Hetzkampagne. Wenn selbst Professoren zu solchen Mitteln greifen, was kann man dann noch von der aufgeheizten Masse im Netz erwarten?
Am Ende bleibt die Frage: Wollen wir wirklich, dass unsere höchsten Richterämter nach Wikipedia-Kampagnen und Blog-Empörung besetzt werden? Oder sollten wir nicht endlich zu einer sachlichen Debatte zurückfinden, in der fachliche Qualifikation mehr zählt als die richtige Gesinnung? Die neue Bundesregierung unter Merz täte gut daran, sich diese Frage ernsthaft zu stellen - bevor der nächste qualifizierte Kandidat dem digitalen Mob zum Opfer fällt.
- Themen:
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