
Trump-Zölle: Deutsche Verbraucher reden viel, handeln wenig
Die große Empörung über Donald Trumps aggressive Zollpolitik verpufft offenbar an der Supermarktkasse. Während im März noch über die Hälfte der Deutschen vollmundig ankündigte, US-Produkte boykottieren zu wollen, zeigt die Realität ein ernüchterndes Bild: Der moralische Zeigefinger bleibt in der Hosentasche, sobald es ans eigene Portemonnaie geht.
Zwischen Ankündigung und Wirklichkeit klafft eine gewaltige Lücke
Das Marktforschungsinstitut NIQ hat genauer hingeschaut und dabei eine bemerkenswerte Diskrepanz zwischen Worten und Taten aufgedeckt. Die Untersuchung von 25 verschiedenen Lebensmittelsegmenten – von der geliebten Schokoriegel bis zum abendlichen Whiskey – offenbart: Von einem spürbaren Boykott amerikanischer Marken kann keine Rede sein. Die Deutschen kaufen munter weiter ihre gewohnten US-Produkte, als hätte es nie eine Empörungswelle gegeben.
Der NIQ-Konsumexperte David Georgi bringt es auf den Punkt: Solange der finanzielle Druck fehle, bleibe es bei moralischen Lippenbekenntnissen. Die angekündigten Zölle seien schließlich noch nicht umgesetzt, die Preise noch nicht gestiegen. Erst wenn es wirklich ans Geld gehe, könnte sich das Blatt wenden – typisch deutsch eben.
Die Crux mit der globalisierten Produktion
Ein weiterer Aspekt entlarvt die Naivität vieler Boykott-Befürworter: Viele der vermeintlich amerikanischen Produkte werden längst in Europa produziert. Die allgegenwärtige Coca-Cola etwa sprudelt aus europäischen Abfüllanlagen und wäre von Zöllen gar nicht betroffen. Doch wer macht sich schon die Mühe, bei jedem Einkauf die komplexen Eigentumsverhältnisse und Produktionsstandorte zu recherchieren?
„Der Preisaspekt ist ein ganz wichtiger für den deutschen Konsumenten" – diese Aussage des NIQ-Experten trifft den Nagel auf den Kopf und entlarvt die Doppelmoral vieler Verbraucher.
Trump verschiebt, Europa zögert – ein Pokerspiel auf höchster Ebene
Während die Verbraucher zwischen Empörung und Bequemlichkeit schwanken, läuft auf politischer Ebene ein Pokerspiel mit ungewissem Ausgang. Trump hatte die ursprünglich für Anfang Juni geplanten 20-prozentigen Zölle auf EU-Importe großzügig auf den 9. Juli verschoben – angeblich um mehr Zeit für Verhandlungen zu schaffen. Die EU reagierte mit der Aussetzung ihrer geplanten Gegenzölle.
Diese Verzögerungstaktik könnte sich als geschickter Schachzug erweisen. Denn solange die Zölle nur als Damoklesschwert über dem transatlantischen Handel schweben, bleibt alles beim Alten. Die deutschen Verbraucher können weiterhin ihre Lieblings-US-Marken kaufen und gleichzeitig ihr schlechtes Gewissen mit Boykott-Ankündigungen beruhigen.
Die Rechnung kommt zum Schluss
Eine aktuelle YouGov-Umfrage zeigt jedoch, dass die Mehrheit der Deutschen durchaus mit steigenden Preisen rechnet, sollten die Zölle tatsächlich kommen. Dann wird sich zeigen, ob der deutsche Michel wirklich bereit ist, für seine politischen Überzeugungen tiefer in die Tasche zu greifen – oder ob er doch lieber beim gewohnten Markenprodukt bleibt.
Die bisherigen Erkenntnisse lassen vermuten: Solange Rabattaktionen und Sonderangebote locken, wird der politische Protest schnell vergessen sein. Ein Phänomen, das symptomatisch für unsere Zeit zu sein scheint – große Worte, kleine Taten.
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