
Palmer fordert radikalen Schnitt: Berlin soll zerschlagen werden
Der streitbare Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer sorgt einmal mehr für Aufsehen. In einem Podcast der Funke-Mediengruppe brachte der parteilose Politiker einen Vorschlag auf den Tisch, der in der Hauptstadt für erhitzte Gemüter sorgen dürfte: die Zerschlagung Berlins. Was auf den ersten Blick wie eine Provokation klingt, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als durchaus bedenkenswerte Analyse des deutschen Föderalismus und seiner Schwachstellen.
Das Berliner Zuständigkeitschaos als Symptom einer tieferen Krise
Palmer nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn er die Zustände in der Bundeshauptstadt beschreibt. In Berlin müsse man sich als Bürger "irgendwie durchwursteln", weil vieles nicht so funktioniere, wie es eigentlich sollte. Diese Einschätzung dürfte bei jedem, der schon einmal mit Berliner Behörden zu tun hatte, auf offene Ohren stoßen. Monatelange Wartezeiten für einen Termin beim Bürgeramt, marode Schulen, eine Verwaltung, die selbst einfachste Vorgänge zur Odyssee werden lässt – die Liste der Missstände ist lang und wohlbekannt.
Der Kern des Problems liegt nach Palmers Analyse in der unklaren Verschränkung zwischen Staat und Stadt. Die Berliner Bezirke verfügen nicht über die Rechte einer vollständig selbst handelnden Gemeinde, wie es etwa Tübingen der Fall ist. Diese Zwitterstellung führt dazu, dass niemand so recht weiß, wer eigentlich verantwortlich ist. Und wo keine klare Verantwortung herrscht, da gedeiht bekanntlich die Verantwortungslosigkeit.
Das süddeutsche Erfolgsmodell als Blaupause
Als Alternative schlägt Palmer vor, entweder zwölf echte Städte aus Berlin zu machen oder die Hauptstadt tatsächlich zu einem Bundesland mit entsprechenden kommunalen Strukturen umzugestalten. Das Erfolgsrezept süddeutscher Städte sei simpel: Die Verantwortung liegt dort, wo auch die Entscheidung getroffen wird. Ein Prinzip, das so selbstverständlich klingt und doch in der deutschen Verwaltungsrealität allzu oft auf der Strecke bleibt.
"Wenn ich dort ankomme, denke ich immer: Vorsicht, Sie verlassen den funktionierenden Teil Deutschlands."
Mit diesem legendären Ausspruch aus dem Jahr 2018 hatte Palmer bereits für Furore gesorgt. Doch der frühere Grünen-Politiker zeigt sich inzwischen selbstkritischer. Angesichts des Desasters rund um Stuttgart 21 und dem daraus resultierenden Chaos im Schienenverkehr seien arrogante Kommentare aus dem Süden nicht mehr angemessen. Berlin sei mittlerweile sogar pünktlicher als der Stuttgarter Bahnverkehr – eine bittere Ironie für den einst so stolzen Südwesten.
Eine überfällige Debatte über den deutschen Föderalismus
Palmers Vorstoß mag provokant erscheinen, doch er trifft einen wunden Punkt. Die Frage, wie Verantwortlichkeiten in einem föderalen System sinnvoll verteilt werden können, ist keine akademische Spielerei, sondern hat handfeste Auswirkungen auf das tägliche Leben der Bürger. Wenn selbst grundlegende staatliche Dienstleistungen nicht mehr zuverlässig erbracht werden können, dann ist es höchste Zeit für eine ehrliche Bestandsaufnahme.
Die Zerschlagung Berlins mag politisch unrealistisch sein. Doch die Debatte darüber, wie der aufgeblähte Verwaltungsapparat der Hauptstadt wieder handlungsfähig gemacht werden kann, ist längst überfällig. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein vermeintlich radikaler Vorschlag am Ende den Anstoß für dringend notwendige Reformen gibt. Deutschland braucht wieder Politiker, die den Mut haben, unbequeme Wahrheiten auszusprechen – auch wenn sie damit anecken.

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